Wie erklärt sich der Titel ihrer Berliner Ausstellung?
Alt F4 ist der deutsche Windows shortcut, um ein Programm zu beenden. Ich beschäftige mich seit einigen Jahren mit dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Anthroposophie in Europa aufgekommenen Modell des Menschen. Unsere Zukunft als Menschheit wird von uns selbst gestaltet und wir benutzen für diese Arbeit Bilder, die wir uns von der Welt machen. Die Qualität ihrer und meiner Zukunft ist also direkt abhängig von der Qualität dieser Bilder. Meine künstlerische Arbeit ist hauptsächlich der Versuch, den quälenden Wust lebenslang gesammelter, fremd bestimmter Bildern wieder loszuwerden, um dadurch hoffentlich zu meinen eigenen zu finden. Ich versuche, meine Festplatte zu leeren, aufzuräumen. Von den Milliarden gesammelten Anblicken einige auszuwählen und durch die Überführung in etwas völlig neues wieder zu löschen, ist sehr erfrischend und schafft Platz zwischen den Synapsen.
Nach welchen Bildern suchen sie denn?
Jeder Anblick zeigt einen winzigen Ausschnitt einer dahinter liegenden Wirklichkeit. Ich suche einen Zugang zu dieser den Sinnen verborgenen Realität, zum Beispiel durch den Umgang mit Farbe. Farbe ist die eigentliche Substanz der Dinge, ich glaube nicht an den Unsinn, das die Welt aus einem Haufen schwirrender Nichtse besteht. Besonders deutlich wird mir das bei dem Umgang mit alten Farbfotos. Wenn man diesen seit Jahrzehnten an eine Oberfläche gefesselten Farben das Spielen erlaubt, fangen sie wirklich an zu tanzen und eine vergangene Welt zeigt ihr Gesicht.
Gehört dieses hier auch dazu?
Nein, das ist ein Bild von Triton, ein relativ unbekannter Mond des Planeten Neptun. Das gehört in den Zyklus Invisible Colors. Die Farben auf der Oberfläche dieses Mondes sind noch nie von einem menschlichen Auge gesehen worden. Das Ursprungsbild zu dieser Arbeit ist von einem Fotoapparat gemacht worden, der zwölf Jahre mit 12 Kilometern pro Sekunde zu seinem Ziel unterwegs war, sein Bild zu uns gefunkt hat und nie wieder zurück gekehrt ist. Diese Farben sind sozusagen unverbraucht, sie gehören einer nicht menschlichen Welt an und verweisen schon dadurch ins Übersinnliche.
Und all diese unbekleideten Damen?
Die verweisen auf das Gleiche aus einer anderen Richtung. Zu den hartnäckigsten Bildern in meinen Kopf gehören die Pornos, denen ich als 14 jähriger in einer Gesellschaft ausgesetzt war, die sich zunehmend durch Tabubrüche konstituiert hat. Diese selbst inszenierten Nackedeis versöhnen mich mit der Gewalt der Kräfte, denen ich mich seit der Pubertät ausgesetzt fühle. Die Unkontrollierbarkeit von Sexualität ist mit der Unausweichlichkeit des Todes nah verwandt. Insofern auch das ein Hinweis auf das Jenseits.
Warum die Blumen?
Eine Phantasie über Unschuld. Blumen sind schlafende Wesen. Sie haben keine Bedürfnisse, keinen eigenen Antrieb. Ihre Traumbilder haben keine Berührungspunkte mit ihrer physischen Existenz. Eigentlich sind sie woanders. Ich arbeite gern mit Bildern von Blumen. Im Gegensatz zu Menschen behalten Blumen ihre Farben, wenn ihre Zeit vorbei ist. Das Material für diese Bilder ist mit einem Scanner gemacht worden. Ein Scanner lichtet lediglich Oberflächen ab. Wenn dann durch die Arbeit im Bild doch ein Raum oder ein Körper entsteht, hat er eine unwirkliche Qualität, die mich interessiert.
Wie passen ihre abstrakten Bilder zu diesem Thema?
Wenn ich am Computer mit Farbfotos arbeite, gibt es immer die Spannung zwischen Farbe und Motiv. Meine ältesten Arbeiten leben ausschließlich von diesem mit- und gegen einander. Es gibt dann den Moment, wo das Motiv verschwindet und lediglich die Substanz des abgebildeten Dinges in Form von Farbe übrig bleibt. Ich denke, da bin ich dann am Kern der Malerei. Mit Aufkommen der Fotografie überhaupt verlor die Malerei ja die Aufgabe der Dokumentation - der Abbildung von Dingen und machte sich auf die Suche nach etwas anderem. Im Atelier von Piet Mondrian hingen viele Fotos von russischen Esoterikern und er hat die Geometrielehre von Euklid noch im Original gelesen. Zur Zeit der Griechen gab es noch keine Wissenschaft, in deren Dienst die Mathematik stehen konnte. Jemand wie Malevitch ist diesen Weg dann bis zum Ende gegangen und hat zum Schluss auch die Farbe eliminiert. Sein schwarzes Quadrat gilt wahrscheinlich zu Recht als Ikone unserer Zeit – zumindest des letzten Jahrtausends.
Auszug aus einem Gespräch zwischen Dr. Bope und Nils Eichberg.
Dr. Bope ist Chirurg einer südafrikanischen Privatklinik und Kunstsammler.
Johannesburg im August 2009
What explains the title of your Berlin exhibition?
Alt F4 is the German Windows shortcut to end a program. I have been working for several years with the model of the human being that emerged in Europe at the beginning of the 20th century through anthroposophy. Our future as humanity is shaped by ourselves and for this work we use pictures we make of the world. So the quality of their and my future is directly dependent on the quality of these images. My artistic work is mainly the attempt to get rid of the tormenting jumble of lifelong collected, foreign determined images, in order to hopefully thereby find my own. I try to empty my hard disk, to tidy up. To select some of the billions of collected sights and to delete them by transferring them into something completely new is very refreshing and creates space between the synapses.
What images are they looking for?
Each sight shows a tiny section of a reality lying behind it. I seek access to this reality hidden from the senses, for example, by working with color. Color is the actual substance of things, I do not believe in the nonsense that the world consists of a bunch of whirring nothings. This becomes especially clear to me when dealing with old color photographs. When you allow these colors that have been tied to a surface for decades to play, they really start to dance and a bygone world shows its face.
Is this one of them?
No, this is a picture of Triton, a relatively unknown moon of the planet Neptune. This belongs to the cycle Invisible Colors. The colors on the surface of this moon have never been seen by a human eye. The original image for this work was taken by a camera that traveled twelve years at 12 kilometers per second to its destination, radioed its image to us, and never returned. These colors are, so to speak, unconsumed, they belong to a non-human world and for that reason alone refer to the supernatural.
And all these unclothed ladies?
They refer to the same thing from another direction. One of the most persistent images in my mind is the porn I was exposed to as a 14-year-old in a society increasingly constituted by taboo-breaking. These self-staged nudies reconcile me with the violence of the forces to which I have felt exposed since I was a pupil. The uncontrollability of sexuality is closely related to the inevitability of death. In this respect, this too is a reference to the hereafter.
Why the flowers?
A fantasy about innocence. Flowers are sleeping beings. They have no needs, no drive of their own. Their dream images have no points of contact with their physical existence. Actually, they are somewhere else. I like to work with images of flowers. Unlike people, flowers keep their colors when their time is over. The material for these images was made with a scanner. A scanner only images surfaces. When a space or a body does emerge through the work in the image, it has an unreal quality that interests me.
How do your abstract images fit in with this theme?
When I work on the computer with color photographs, there is always the tension between color and subject. My oldest works live exclusively from this with and against each other. There is then the moment when the motif disappears and only the substance of the thing depicted remains in the form of color. I think that's where I'm at the core of painting. With the advent of photography in general, painting lost the task of documentation - of depicting things - and set out in search of something else. In Piet Mondrian's studio there were many photos of Russian esotericists and he still read Euclid's theory of geometry in the original. At the time of the Greeks there was no science in whose service mathematics could be. Someone like Malevich then went this way to the end and in the end he also eliminated the color. His black square is probably rightly considered as an icon of our time - at least of the last millennium.
Excerpt from a conversation between Dr. Bope and Nils Eichberg.
Dr. Bope is a surgeon at a private South African clinic and an art collector.
Johannesburg in August 2009